Fünf Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise hatte sich der FAUB[1] entschlossen, im Interesse seiner Klientel eine Anhebung der Marktrisikoprämien – von 4,5 Prozent im Mittel auf 5,5 Prozent nach Steuern – zu empfehlen. Eine stichhaltige Begründung dafür blieb der FAUB schuldig.
Erst 2018 schoben Mitglieder des FAUB eine Begründung nach,[2] welche jedoch einen Paradigmenwechsel in der Berechnungsmethode propagiert. Anstelle der jahrzehntelangen Schätzung der Marktrisikoprämie auf Basis vergangenheitsbezogener (Ist-)Werte soll nunmehr die Marktrisikoprämie implizit auf Basis zukunftsgerichteter Schätzungen erfolgen.
Auf den ersten Blick scheint der Wechsel der Berechnungsmethode konsistent, werden doch Unternehmenswerte ebenfalls auf Basis zukünftiger Zahlungsströme bewertet. Kritisch sind jedoch die Datenverfügbarkeit, die Modellabhängigkeit und die Zirkularität zu hinterfragen. Dazu führten die gerichtlich bestellten Sachverständigen im Spruchverfahren zur Bestimmung der angemessenen Barabfindung für die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre der Bayerische Hypo – und Vereinsbank AG aus:
Bei näherer Betrachtung der Datenverfügbarkeit lassen sich trotz zunehmender Marktabdeckung längst nicht für alle börsennotierten Unternehmen ausreichend Analystenschätzungen finden. Üblicherweise werden mehr Researchanalysen von Unternehmen veröffentlicht, die sich in einem Index (DAX, MDAX etc.) befinden, als von anderen börsennotierten Unternehmen. Implizite Marktrisikoprämien auf Basis einer Aggregation der Einzelrenditen von kleinen börsennotierten Gesellschaften ohne oder mit nur vereinzelten Analystenschätzungen sind nur eingeschränkt aussagefähig.
Ein weiteres Problem betrifft die starke Modellabhängigkeit der impliziten Kapitalkostenmodelle. Empirische Studien haben bisher zu einer großen Bandbreite an impliziten Eigenkapitalkosten bzw. Marktrisikoprämien geführt. Ein einheitliches Vorgehen bzw. die richtige Methode zur Ableitung impliziter Eigenkapitalkosten hat sich bisher nicht etabliert.
Der grundlegende Nachteil der impliziten Modelle ist in der Zirkularität zu sehen. Anders als beim klassischen Bewertungskalkül geht der aktuell beobachtbare Aktienkurs als gegebene Größe in die Ermittlung der impliziten Eigenkapitalkosten ein. Damit hängen die Eigenkapitalkosten von Preisen ab, die üblicherweise auch nicht-rationale oder nicht-monetäre Verhaltensweisen der Anleger beim Handel an einer Börse widerspiegeln können. Die Eigenkapitalkosten werden aber gerade dazu benötigt, einen fundamentalen Unternehmenswert zu finden, der von den individuellen Vorstellungen und Motiven einer Vielzahl von Anlegern abstrahiert.“
Als Folgeprobleme nennen die Sachverständigen, dass implizite Marktrisikoprämien geradezu minütlich, dem Börsenkurs folgend, schwanken können und Annahmen zur zukünftigen Entwicklung der (quasi-)risikofreien Basiszinsen fehlen.
Vor diesem Hintergrund lehnt das Landgericht München I in ständiger Rechtsprechung die Ableitung impliziter Risikoprämien ab:
„Der Ansatz einer implizit aus Prognosen von Finanzanalysten und Ratingagenturen ermittelten Marktrisikoprämie ist nicht geeignet, diese Überrendite abzuleiten. Gerade die Schätzung von Finanzanalysten und Ratingagenturen ist in hohem Maße abhängig von deren subjektiver Einschätzung.“[3]
Wird aber die Marktrisikoprämie aus ex-post-Analysen abgeleitet, lässt sich die zusätzlich vom FAUB eingebrachte Behauptung, dass Marktteilnehmer trotz „Niedrigzinsumfeld“ eine konstante Gesamtrendite fordern, empirisch schlicht nicht belegen. Stattdessen zeigen die Marktgegebenheiten, dass sich diese mit niedrigeren Gesamtrenditen zufrieden geben.
[1] Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des IDW.
[2] „Die Marktrisikoprämie im Niedrigzinsumfeld“ – WPg 2018, Seiten 806 ff.
[3] LG München I vom 29. August 2018 – 5 HK 16585/15.