ISIN: DE0006759202 / WKN: 675920 und BGH – Az.: II ZB 25/14
Der BGH hat mit Beschluss vom 12. Januar 2016 (Az.: II ZB 25/14) eine Grundsatzentscheidung zugunsten von Minderheitsaktionären gefällt. Lange Zeit war umstritten, wie bei einem Ausschluss von Minderheitsaktionären eine angemessene Barabfindung festzulegen ist, wenn bereits ein Unternehmensvertrag besteht. In seiner eindeutigen Entscheidung stellt der BGH nunmehr fest, dass bei Vorliegen eines Unternehmensvertrages der auf den Anteil des Minderheitsaktionärs entfallene Anteil des Unternehmenswertes jedenfalls dann maßgeblich ist, wenn dieser höher ist als der Barwert der aufgrund des Unternehmensvertrages dem Minderheitsaktionär zustehenden Ausgleichszahlung.
Die Nestlé Deutschland AG und die Nestlé Unternehmungen Deutschland GmbH schlossen am 30. Mai 2001 einen Gewinnabführungsvertrag, dem die Hauptversammlung der Nestlé Deutschland AG am 6. Juli 2001 zustimmte. Am 29. Mai 2002 wurde bekannt, dass die Nestlé Unternehmungen Deutschland GmbH den Ausschluss der Minderheitsaktionäre aus der Nestlé Deutschland AG beabsichtigt. Auf der Hauptversammlung der Nestlé Deutschland AG am 5. Juli 2002 wurde der Ausschluss der Aktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 281,98 Euro je Aktie beschlossen. Am 17. September 2002 wurde der Übertragungsbeschluss in das Handelsregister eingetragen. Der im Mai 2001 geschlossene Unternehmensvertrag bestand weiter fort.
Mehrere Minderheitsaktionäre haben daraufhin ein Spruchverfahren eingeleitet, um die Angemessenheit der Barabfindung gerichtlich überprüfen zu lassen. Das Landgericht Frankfurt a. M. hat nach einem Teilvergleich hinsichtlich der auf der Antragstellerseite verbliebenen Antragstellerin die Abfindung auf 316 Euro festgesetzt (Az.: 3-08 O 170/02). Dagegen legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht Frankfurt a. M. legte die Sach dem BGH zur Entscheidung vor, weil es entscheidungserheblich sei, ob zur Bestimmung der angemessenen Abfindung bei Vorliegen eines Unternehmensvertrags auf den Barwert der Ausgleichszahlungen oder den anteiligen Ertragswert der Gesellschaft abzustellen sei.
In seinen Entscheidungsgründen setzt sich der BGH mit dem „wirklichen“ oder „wahren“ Wert des Anteilseigentums auseinander. In jedem Fall müsse eine Methode zur Wertermittlung gewählt werden, die den vollen Ausgleich für den von den Minderheitsaktionären hinzunehmenden Verlust sicherstellt, der jedenfalls nicht unter dem Verkehrswert liegen darf. Der BGH stellt fest, dass die Beteiligung an einem Unternehmen in vermögensrechtlicher Hinsicht nicht nur die Aussicht auf eine Dividende, die (durch den Unternehmensvertrag) vorübergehend durch den festen Ausgleichsanspruch ersetzt wird, umfasst, sondern darüber hinaus den Anteil an der Vermögenssubstanz, auf den bei Auflösung und Liquidation ein Anspruch besteht. (…) Eine mittels Ausgleichszahlungen berechnete Abfindung deckt deshalb unter Umständen nicht den vollständigen, wahren Wert der Beteiligung. Der BGH betont, dass dem Aktionär die Chance auf einen höheren Ertrag und eine höhere Dividende genommen werde, wenn er während des Bestehens des Unternehmensvertrages…aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Bei einem Squeeze-out soll eine Neubewertung seiner Eigentumsanteile vorgenommen werden. Der Barwert der Ausgleichszahlungen ist daher lediglich als Mindestwert der angemessenen Abfindung zugrunde zu legen.