Die Diskontierung geplanter finanzieller Überschüsse auf den Bewertungsstichtag nimmt regelmäßig einen breiten Stellenwert in aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen ein. Zahlreiche Anträge betroffener Minderheitsaktionäre auf Einleitung von Spruchverfahren beschränken sich auf Einwände gegen den Kapitalisierungszinssatz.
Diese Diskussion wird nun durch eine neue Entscheidung des Oberlandesgerichts München zur Marktrisikoprämie befeuert.
Sofern nicht die Festlegung der Marktrisikoprämie implizit auf Basis zukunftsgerichteter Schätzungen erfolgt – solche impliziten Marktrisikoprämien werden insbesondere von der Rechtsprechung des Landgerichts München I ausdrücklich abgelehnt – ist die Marktrisikoprämie aus langfristigen Marktbeobachtungen der Vergangenheit zu bestimmen. Solche Marktbeobachtungen liegen jedoch nur für Risikoprämien „vor“ Abzug persönlicher Steuern vor. Das bedingt eine Umrechnung in – für Unternehmensbewertungen in Deutschland maßgebliche – Werte „nach“ Steuern.
Der Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW (FAUB) empfiehlt die Anwendung von Marktrisikoprämien zwischen 5,5 und 7,0 Prozent vor Steuern. Daraus leitet der FAUB eine Nachsteuer-Empfehlung von 5,0 bis 6,0 Prozent ab.
Mathematisch ist jedoch die Marktrisikoprämie nach Steuern abhängig von der geplanten Ausschüttungsquote; je höher die Ausschüttung geplant wird, desto niedriger ist die Marktrisikoprämie.
Erstmalig hat sich nun das Oberlandesgericht München mit dieser Thematik befasst und ist zu dem Schluss gelangt, dass die vom FAUB empfohlene Nachsteuer-Bandbreite nicht von der (angeblich) empirisch beobachtbaren Vorsteuer-Bandbreite gedeckt ist:
„Die aktuelle IDW-Vorsteuerempfehlung liegt bei 5,5 % – 7,0 %. Daraus errechnen sich je nach Ausschüttungsquote Nachsteuerwerte von 4,45 % – 5,87 %. Es ist zutreffend, dass die aktuelle Nachsteuerempfehlung von 5,0 % bis 6,0 % diese Bandbreite nicht bzw. nicht vollständig abdeckt, was jedoch nicht insgesamt zu einer ‚rechnerisch falschen und völlig unplausiblen‘ Empfehlung führt, sondern abermals bestätigt, dass die Festsetzung am unteren Rand der Empfehlung (und damit im Mittelfeld der möglichen Vorsteuerprämien) angemessen ist.“ (OLG München vom 20. März 2019 – 31 Wx 185/17 – Tz. 52 [Ausschluss der Minderheitsaktionäre der Realtime Technology AG]; die Entscheidung des OLG München ist im Volltext auf der Homepage der Bayerischen Staatskanzlei – http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2019-N-4039?AspxAutoDetectCookieSupport=1 – abrufbar).
Jüngsten Versuchen der Bewertungsindustrie, Marktrisikoprämien am oberen Rand der Bandbreitenempfehlung des FAUB anzusiedeln (so etwa Ausschluss der Minderheitsaktionäre 1st RED AG, AGO AG Energie + Anlagen, Damp Holding AG), wird mit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München ein Riegel vorgeschoben.